Das Saarland, mitten im Herzen Europas gelegen, gehört zu den Landstrichen, die man gerne als europäische „Kernregion“ bezeichnet. Mal deutsch, mal französisch, mal international.
Seine wechselvolle Geschichte hat die Mentalität der Bewohner genauso geprägt, wie deren Küche. Nirgendwo in Deutschland leuchten die Guide-Michelin-Sterne der Spitzengastronomie in derart dichten Abstand wie hier.
Weniger bekannt ist dagegen, dass hier das Herz einer Pflanzenölregion schlägt. Nicht erst seitdem Landwirte auf Initiative der Bliesgau-Ölmühle wieder damit begonnen haben, alte Kulturpflanzen anzubauen um daraus genussreiche Speiseöle herzustellen.
In fast allen Fachgeschäften angeboten, finden sie in den heimischen Küchen reichliche Verwendung.
Schon vor Jahrhunderten, lange vor der Industrialisierung, spielten Ölpflanzen im Alltag der „Saarländer“ eine große Rolle. Denn diese waren essentiell, also für das Überleben unverzichtbar, wurden großflächig angebaut und verarbeitet.
Mehrere Dutzend Ölmühlen soll es alleine im Gebiet des heutigen Saarland gegeben haben.
Die älteste, bis heute erhalten gebliebene, ist die Historische Ölmühle Berschweiler, die 2019 auf ihr 250 jähriges Bestehen zurückblicken durfte.
Doch viel Wissen über Volksbrauchtum, Lebensweise und Arbeitsbedingungen gingen im Laufe der Zeit verloren. Umso mehr verraten uns heute Straßen- und Flurnamen die Geschichte der einstigen „Pflanzenölregion Saarland“.
Viele Straßennamen verweisen auf ehemalige Ölmühlen:
Blieskastel - Am Ohligsteg, Merzig- Zum Ohligsbach, Schwalbach - Ohligmühle, Weiskirchen - Zur Ölmühle, Perl - Ölmühle, Mandelbachthal - Oliggasse, Siersburg - Zum Ölgrund
Alte Flurnamen im Saarland
Weit verbreitetet sind Bezeichnungen für Ölpflanzen, am bekanntesten der Hanf. „Im Hanfland“ wähnte man sich im Merziger Stadtteil Hilbringen, dort wo der Anbau und die Fasergewinnung zur Herstellung von Kleidern und Schiffsbau besonders bedeutend waren.
Merzigs wichtigster Jahrmarkt bis in die Neuzeit – immer am 6. Dezember - war dem heiligen Nikolaus, dem Schutzheiligen der Merziger Schiffer und Krämer gewidmet. „Er hieß im Volksmund allgemein bloß ‚Hanf oder Gezeihmarkt’, nach den wichtigsten Produkten benannt, die hier zum Angebot kamen“, heißt es in einer Geschichte über Merzig. Auf diesem Markt dürfte nicht nur um Hanffasern gefeilscht worden sein. Vermutlich auch um Hanfsamen, die ein köstliches, stark nussig schmeckendes Öl ergeben und nicht unwesentlich zum guten Ruf des Hanfmarkts beigetragen haben dürfte.
Breitfurt: Hanfruthenweg
Wolfersheim: Im Hanfgarten
Aßweiler: In den Hanfgärten
Ensdorf: Hanfstraße
Mit „Magsamen“ waren in früheren Jahrhunderten die Samen des Mohns bezeichnet. Bis weit ins zwanzigste Jahrhundert zählte Magsamenöl bzw. Mohnöl zum beliebtesten Speiseöl in Deutschland.
Verantwortlich hierfür war der sehr zarte Geschmack, woran man sich wohl erinnerte, als man in Beckingen, Homburg, Oberthal und Ludweiler Straßen den Namen „Mohnweg“ vergab.
Den Haselnüssen und Walnüssen wird in Bexbach (Haselnußweg), Ensdorf (Nußgartenstraße), Homburg (Nußbaumstraße), Merchweiler (Zum Nußwäldchen), Besseringen (Haselnußweg), Saarbrücken (Nußbergtreppe), Saarwellingen (Haselnußweg), Schmelz (Haselnußweg) gehuldigt.
Eine weitere wichtige Quelle über die frühere Bedeutung von Ölen für die Menschen stammte von dem Botaniker Hieronymus Bock (1498-1554) und seinen Betrachtungen über die „Teutsche Küche“ aus dem Jahr 1546. Bock zählt zu den im Gebrauch befindlichen Ölen aus: Mandeln, Baumnüssen (Walnuss), Haselnüssen, Magsamen (Mohn), Rübsamen (Raps), Leinsamen und Hanfsamen und fährt fort: „solche Öhl brauchen wir Teutschen zu gemeiner Notturft der Haußhaltung, nemlich in der Küchen, und in der Kirchen, zu Speisen und Gottesdiensten.“
Bock gilt heute auch als wichtige Quelle für die damalige kulinarische Bedeutung von Leindotter (Camelina Sativa).
Über die als „Flachsdotter“ bezeichnete Leindotterpflanze weiß Bock zu berichten: „Das Beste an diesem Samen ist das Öl welches gar süß und lieblich ist.“ Als alte Kulturpflanze kann sie im Gebiet zwischen Mosel und Saar auf eine lange Geschichte zurückblicken, was zahlreiche Samenfunde bei archäologischen Ausgrabungen in Siedlungen von Kelten und Römern bestätigen. Bock widmete übrigens sein Buch dem Grafen von Saarbrücken, an dessen Hof er sich einige Jahre aufhielt und für den er einen Kräutergarten am Saarbrücker Schloss anlegte.
Heute ist es möglich die Pflanzenölregion Saarland wiederzuentdecken. In guten Restaurants stehen kaltgepresste Öle wieder ganz oben auf den Speisekarten. Einige Feste, darunter das „Bliesgau-Walnussfest“ oder das „Leinblütenfest“ knüpfen an die Pflanzenöl-Geschichte an.
In historischen Ölmühlen, wie der Historischen Wassermühle der Familie Wern und dem angeschlossenen Landhof „Werns Mühle“ mit seiner Themen-Gastronomie im Ottweiler Ortsteil Fürth wurde die frühere Ölherstellung wieder lebendig gemacht.
Weitere historische Ölmühlen findet man in Bischmisheim, Weiskirchen-Konfeld oder in Heusweiler-Berschweiler, wo die Familie Reimann die wohl älteste noch erhaltene Ölmühle Deutschlands (!) pflegt und man sich gerne über angemeldete Besucher freut.
Moderne aber ganz in der Tradition alter Mühlen stehender Ölherstellung lernt man in der Bliesgau-Ölmühle bei Bliesransbach kennen. An dem auf Gut Hartungshof arbeitenden Betrieb führt auch der „Ölschleifenweg“ als deutsch-französischer Kulturwanderweg vorbei, auf dem sich im Sommer die zahlreichen „oberirdischen Ölfelder“ erwandern aber auch die wechselvolle Geschichte der Grenzregion erfahren lassen.
Historische Ölmühle Berschweiler
Berschweilerstr. 58
66265 Heusweiler
www.berschweiler.com
Kontakt für Besichtigungen
Klaus und Elke Reimann
Tel. 0 68 06 / 8 17 86
muehle@berschweiler.com
Landgasthaus Wern´s Mühle
Familie Theresia und Markus Keller
Brückenstraße 37
66564 Ottweiler - Fürth
Tel. 0 68 58 / 6 999 211
www.werns-muehle.de
Historische Ölmühle Wern
Historische Ölmühle Bischmisheim
Brückenstraße 37 Gartenstraße 15a
66564 Ottweiler - Fürth 66132 Bischmisheim/Saarbrücken
Tel. 0 68 58 / 60 02 09 (Besitzer: Familie Altpeter)
www.oelmuehle-wern.de
Der Bliesgau, ein kleiner und feiner Landstrich im Saarland, hat sich in den letzten Jahren zu einer der spannendsten Öl-Landschaften in Deutschland entwickelt. Hierzu haben maßgeblich die Aktivitäten der Bliesgau Ölmühle von Patric Bies und Jörg Hector beigetragen.
Insbesondere die Wiederentdeckung des Leindotters, einer uralten Kulturpflanze, deren Öl einen außergewöhnlich guten Geschmack und viele wertvolle Inhaltsstoffe enthält, sorgte bereits international für Furore und überregionale Bekanntheit.
Weitere seltene und gesundheitsfördernde Öle und das Anknüpfen an traditionelle Formen des Feldbaus, z.B. bienenfreundliche Pflanzen wie Leindotter in Kombination mit Linsen, Erbsen oder Bohnen sind weitere bemerkenswerte Herausforderungen, denen sich die Ölmüller stellen.
Dazu gehört auch die historische Aufarbeitung der landwirtschaftlichen Geschichte des Saarlandes.
Inh. Patric Bies & Jörg Hector
Gut Hartungshof 6
66271 Bliesransbach
Tel./Fax 0 68 05 / 929 80 85
www.bliesgauoele.de
Hans Peter Klauck
Rimlinger Flurnamen, im Kreisheimatbuch Merzig-Wadern 2010.
Lexikon der Saarländischen Orte, Gehöfte, Industrieanlagen und Wohnplätze. Eigenverlag, 2006
Ludwig Eid
„Reichsgräfin Marianne von der Leyen“, Saarbrücken 1937
Sverre Arstad
„Barockfiguren spiegeln Wirtschaftsgeschichten“ in Heft 2 der „Saarheimat“, Saarbrücken 1958
Hieronymus Bock
„Kräuterbuch“ und „Teutsch Speißkammer“, Straßburg 1546
Usch von der Winden
„Die Welt der heimischen Pflanzenölen“, Köln 2013
Dorothée Pirrung
www.pirrung-kunstraeume.de
Landesarchiv des Saarlandes
Familie Willi und Edith Wern
Stadtmuseum Lüttich
Historische Ölmühle, Familie Reimann
Alle weiteren Fotos: Sammlung Patric Bies